Dreharbeiten in Marokko

Von Gegensätzen, die sich anziehen. Eine kleine Beschreibung unserer Erfahrungen.

Vom 13. bis 21. Juni 2017 waren wir im Osten und Nordosten Marokkos um unser Projekt Kreuzgesichtet weiter voran zu treiben und neben vielen Gesprächen auch einiges an Bildmaterial zu drehen. 

Zuvor jedoch nahmen wir den langen Weg von Frankfurt am Main nach Düsseldorf-Weeze auf uns um uns in einem kleinen sehr beschaulichen Dorf an der Holländischen Grenzen wiederzufinden, dass ein eigenes Projekt und eine eigene Forschung wert wäre. Am Flughafen kommen wir dann auch schon mit den ersten Marokkanischen Grenzgänger_innen in Kontakt, die alle in Deutschland leben und im Zuge des Ramadans für eine Woche zu Verwandten nach Marokko fliegen. 

In Oujda angekommen, machen wir uns erst mal auf den Weg die Stadt zu erkunden. Von den 500.000 Einwohner_innen ist während der brütenden Mittagshitze nicht mal auf dem Markt viel zu sehen. Das liegt am Ramadan und daran, dass dass es die letzte Woche vor dem Fastenbrechen ist. Das die Stadt und das ganze Land in der brütenden Hitze tagsüber vor sich hinschlummert, sollten wir in den nächsten Tagen auf unserer Suche nach Interviewpartner_innen noch mehrmals erfahren. 

Ein einsames Taxi ist das einzige was uns nach Einbruch der Dämmerung begegnet. Erst nach dem Fastenbrechen am Abend finden sich wieder Menschenmengen auf den Straßen wieder. Lachend und schwatzend ineinander eingehakt schlendert man so durch die Stadt. Noch vor ein paar Stunden undenkbar. 

Plastikblumen, Graffitis an Hauswänden und geschlossene Läden prägen die ersten Tage unseres Aufenthalts in Oujda. Erhofft hatten wir hingegen etwas ganz anderes. Viele Menschen und vor allem Subsaharische Migrant_innen, die in der grenznahen Stadt zu Algerien Unterschlupf nach einer langen, anstrengenden Reise quer durch Afrikas Wüstenfelder finden. Auch das von den Studierenden der Universität Oujda errichtet und verteidigte Fluchtlager an der Universität ist schon längst nicht mehr aktiv.

"Die ziehen alle weiter an die Küste, bis an die Grenze zu Melilla. Ganze Gruppen laufen der Straße entlang nach Norden", wird hier getuschelt. Wir packen unsere Sachen. Hier gibt es im Moment nichts mehr für uns. Unser neues Ziel: die Grenze zu Melilla. 

Hier treffen wir Fouad Maachi, ein Vertreter der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung. Er selbst ist Re-Migrant, hat in Deutschland studiert und ist zurückgekehrt um sein Land zu unterstützen. Er ist vor allem für den Kontakt zwischen Mensch und Politik zuständig. Außerdem liegt ihm und seiner Partei die wirtschaftliche Entwicklung und der Austausch mit Europa am Herzen. Von den Geflüchteten, die sich im Wald östlich der Grenzen zur spanischen Exklave verstecken, weiß er. So wie viele hier, die wir fragen. 

Wir befinden uns auf dünnem Eis. Man will nicht darüber reden. Eine Organisation, die sich tatsächlich um die Belange der Subsaharischen Migranten kümmert ist eine Kirche in Nador. Auch hier redet man ungern und schon gar nicht vor laufender Kamera. Man versuche wenigstens grundlegende Wasser- und Krankenversorgung zu leisten. Mehr könne man nicht tun, meint eine Mitarbeiterin der Institution. Viele der Geflüchteten, die sich im Wald verstecken, hätten schon oft versucht die Grenze zu Melilla zu überqueren. Ob es denn keine Konsequenzen für die Migranten hat, wenn sie bei dem Versuch von der Grenzpolizei aufgegriffen werden, wollen wir wissen. Sicher, ist die Antwort, aber die Polizei schickt sie lediglich zurück nach Oujda oder nach Algerien. Von dort kommen sie dann einfach wieder her. Und außerdem: es gibt auch immer wieder Erfolgserlebnisse. 

Mitnehmen kann sie uns nicht. Wir aber wollen zumindest sehen und verstehen wie es direkt an der Grenze und hinter dem Wall, den wir problemlos überqueren können, aussieht. In einer Nacht und Nebel Aktion bestechen wir einen Taxifahrer, der mit uns die Grenze abfährt. Es ist nicht möglich Video-, oder Fotoaufnahmen zu machen. Überall stehen Grenzposten. Wir entschließen uns dann den Weg von Afrika nach Europa zu nehmen, vorbei an Ständen geschmuggelter Exportware aus Spanien hin zu den stählernen Toren und den strengen Blicken der Grenzkontrolleure. Durch Käfig-ähnliche Schleusen, die nicht mehr als einen Meter in der Breite betragen bis auf die andere Seite. 


Als wir mit dem Bus in die Stadtkern fahren wird uns klar: wir sind nicht mehr in Marokko. Selbst die Marokkanerin vor uns im Bus hat sich ihr Kopftuch abgezogen als wir losgefahren sind. Am Strand tummeln sich inländische Touristen mit Bier in der Hand und Oberkörper-frei. Im Hintergrund die historische Festung, die Medina Sidona, die schon seit Jahrhunderten die Stellung hält. Auf ihre sind gut sichtbar die Flaggen aller europäischen Nationen gesteckt.  

Schwer atmend erklimmen wir die letzten Stufen - und vor uns tut sich das Meer auf. Das schwimmende Tor zu Europa. Das schwimmende Tor zum spanischen Festland. Das unverdiente Privileg einen europäischen Pass zu haben. Wir kehren um nach Afrika. Noch haben wir nicht genug gesehen.